C-Klarinette Max Wurlitzer, Wernitzgrün

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Pylades
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C-Klarinette Max Wurlitzer, Wernitzgrün

Beitrag von Pylades »

Schon wieder etwas Ungewöhnliches aus der Gegend in der „Bucht“:

C-Klarinette, gemarkt:

MAX WURLITZER
INSTR. ...(unleserlich)
WERNITZGRÜN I.V.

13(?) Neusilber-Klappen, 2 Ringe, Steckachsen, keine Rollen.

Es dürfte sich wohl um Max Albert W., 1881-1947 handeln, von dem ich sonst bisher noch nichts gesehen hatte. Ich vermute, daß das Instrument demnach vielleicht erst Anfang des 20. Jahrhunderts hergestellt wurde und wundere mich deshalb über die altmodische Technik. Es soll ja so gewesen sein, daß solche veralteten Instrumente manchmal als Billigangebote noch weiter mitgeführt wurden.

Ich versuche seit einiger Zeit als Hilfe zur Datierung herauszubekommen, wann die Klarinettenbauer ungefähr von den Steckachsen auf geschraubte übergingen. Das wäre aber unter diesen Umständen nicht sehr erfolgversprechend.

Gruß Michael Woernle

intune
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Re: C-Klarinette Max Wurlitzer, Wernitzgrün

Beitrag von intune »

steck und schraubachsen sind sind ein thema für sich.

letztlich ist der AUFWAND entscheidend. aus heutiger sicht sagen wir natürlich schraubachsen.

steckachsen haben durchaus auch ihren vorteil - dem pratiker brauche ich das nicht zu erklären.

herzustellen sind sie auch nicht ganz einfach!

zu der datierung kann ich nur sagen : sehr sehr überschneidend, die mechanik der tröte als solche sagt fast mehr aus zur datierung.



schönen sonntag


lass uns mal telefonieren.

Dr. Enrico Weller
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Re: C-Klarinette Max Wurlitzer, Wernitzgrün

Beitrag von Dr. Enrico Weller »

Hallo Pylades,

der Bau einfacher Klarinetten und die dabei übliche alte Arbeitsweise, in diesem Falle mit Steckachsen, könnte man mit der philosophischen Aussage von der „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ kommentieren. Das ist zwar für eine Datierung nicht unbedingt hilfreich, beschreibt aber das, was im Vogtland im 19. Jh .und in der ersten Hälfte des 20. zu beobachten ist.

Im Gegensatz zu Clemens Meinel oder seinen Bruder Clemens war Max Wurlitzer im Wernitzgrüner Klarinettenbau nicht gerade „tonangebend“. Ich kenne von ihm keine signierten Instrumente oder Kataloge, die auf einen Verkauf unter eigenem Namen bzw. auf eine Orientierung an Berufsmusikern schließen lassen.

Wenn im Katalog Nr. 70 der Firma Gebrüder Schuster (Ende der 1920er Jahre) ab dem Modell 22 davon die Rede ist, dass diese Klarinetten mit nur 13 Klappen mit „feine[r] Neusilberausstattung, Stahlschräubchen, [...] Stahlfedern und Federnunterlagen“ gefertigt werden, dann bedeutet das, dass alle Modelle „darunter“ diese Merkmale nicht oder nur zum Teil hatten. Solange noch Schüler auf Birnbaum- oder Buchsbaum-Klarinetten mit 5-10 Klappen gespielt haben, wird man das auch noch angeboten haben. In dem Maße, wie sich das Oehler-Modell zum Solisten-Standard entwickelt hat, mussten aber auch die einfacheren Modelle „nachziehen“. Dieser Prozess dürfte in den 1930er Jahren gerade durch die stärkere Orientierung auf die Blasmusik beschleunigt worden sein, hinkte aber der Entwicklung, die wir heute in der Fachliteratur finden, weit hinterher.

Übrigens sollen auch Richard Mühlfelds Ottensteiner-Klarinetten später neue Schrauben und Federn bekommen haben. Jochen Seggelke vermutet, dass dies 1898 in der Werkstatt von O. Oehler erfolgt ist. Vgl. J. Seggelke: Mühlfelds Ottensteiner-Klarinetten, in: Der Brahms-Klarinettist Richard Mühlfeld, 2007, S. 346.

Das bringt uns zwar bei der Datierung Ihrer Wurlitzer-Klarinette nicht weiter, sollte hier aber ruhig mit angeführt werden.

In diesem Sinne noch einen schönen Sonntag
Enrico Weller

intune
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Re: C-Klarinette Max Wurlitzer, Wernitzgrün

Beitrag von intune »

zu diesem schönen ausflug von Dr. Weller kann ich anmerken, dass sich eine hammerschmidt in meinem besitz befindet die ebenfalls mit steckachsen aufgebaut wurde. diese klarinette wurde auf wunsch/bestellung gebaut und stammt von 1950!

Wijnand Advokaat
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Re: C-Klarinette Max Wurlitzer, Wernitzgrün

Beitrag von Wijnand Advokaat »

Und auch meine Karl Ernst C-Klarinette, etwa 1920-1940?, ist mit Stechachsen ausgestattet. Es ist ein gut ausgearbeitetes Instrument. Ich sende zwei Abbidungen mit separatem e-post.
Wijnand Advokaat

Pylades
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Re: C-Klarinette Max Wurlitzer; Achsen

Beitrag von Pylades »

Andererseits: Die luxuriöse Bärmann- Ottensteiner- Klarinette von Kruspe aus der Sammlung der Universität von Arkansas (interessanter Link: http://www.uark.edu/ua/nc/NCCollectionP ... Kruspe.htm , daraus auch das Bild im Anhang) soll aus den 1870er- Jahren stammen und hat erkennbar Schraubachsen.

Noch ein Detail: Bei Kruspe- und Meinel- Klarinetten, wenn sie schon mit Schraubachsen gebaut wurden, stellte ich fest, daß diese noch keine DIN-Gewinde, sondern gröbere haben (Bild). Das könnte auch etwas über das Alter sagen...

Gruß Michael
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intune
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Re: C-Klarinette Max Wurlitzer, Wernitzgrün

Beitrag von intune »

ein sehr schöner beitrag pylades - ich danke dir dafür, auch wenn der link bekannt ist. es zeigt aber von deinem interesse an der sache.

leider, und das im wahrsten sinne der sache sind diese beobachtungen nicht unbedingt schlüssig zur zeit und arbeit des instrumentenmachers.

gewollte besonderheiten hatten sich wohl viele bauer auf die fahne geschrieben, auch um damit letztendlich ihre eigene "stärke" beweisen zu können.

es ist eine meisterleistung der damaligen zeit die von dir erwähnte (link) klarinette , keine frage !



hat spaß gemacht, deinen beitrag zu lesen - nochmals danke.

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