Thema: Gehörlose, Blinde, Rollstuhlfahrer im Museum

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Heidrun Eichler
Museumsmitarbeiter
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Thema: Gehörlose, Blinde, Rollstuhlfahrer im Museum

Beitrag von Heidrun Eichler »

Liebe Leute,

im Moment bin ich dabei, eine Befragung der Landesstelle für Museumswesen auszufüllen. Es geht darum, ob wir Angebote für Menschen mit Behinderung haben und es wird unterschieden zwischen Gehörlosen, Sehgschädigten und Blinden, Körper- und geistig Behinderten.

Eine Frage lautet:
Wie werden die Vermittlungsangebote/spezielle Ausstattung für gehörlose und hörgeschädigte Besucher publik gemacht?

(Ich "liebe" solche Fragebögen, aber mache dann doch mit, weil der damit Beauftragte nur zu einem Ergebnis kommten kann, wenn er Zuarbeiten bekommt.)

Meine Antwort:
Soll man auf die Internetseite schreiben: Unser Museum ist auch für Gehörlose, Blinde und geistig Behinderte geeignet? Der einzige Hinweis, der angebracht ist, ist m. E. der auf die Rollstuhltauglichkeit. Menschen mit Behinderung wollen doch wie „normale“ Menschen behandelt werden oder?

Und das hätte ich jetzt gern gewusst. Ist der Hinweis notwendig, dass uns Menschen mit Behinderung besuchen können ?


Ich teile dann auch gerne mit, wie wir in der Praxis mit blinden und gehörlosen Gruppen umgehen.

Bitte um rege Beteiligung,
Heidrun

martind
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Re: Thema: Gehörlose, Blinde, Rollstuhlfahrer im Museum

Beitrag von martind »

Liebe Heidrun,

ich glaube da sind spezielle Angebote für Menschen mit Behinderungen gemeint, z.B. "Tastvitrinen" für Blinde oder Schwingungsfühlen für Gehörlose (wie fühlt sich eine klingende Gitarre an, wie unterscheidet sich das vom Kontrabass). Im Gartenbereich gibt es ja schon ähnliches wie Aromagärten und Hochbeete zum Ertasten der Pflanzen. Vielleicht lässt sich ja auch bei Euch mit dem einem oder anderen Instrument sowas verwirklichen oder habt Ihr schon?

Weiterhin frohes Schaffen wünscht

Martin

Heidrun Eichler
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Re: Thema: Gehörlose, Blinde, Rollstuhlfahrer im Museum

Beitrag von Heidrun Eichler »

Lieber Martin,

bei uns dürfen Blinde Instrumente anfassen und Gehörlose freuen sich, wenn wir etwas anspielen, weil sie die Schwingungen wahrnehmen. Das ist es ja meine Frage: Muss man wirklich extra Angebote schaffen? Ich müsste dann Instrumente hinstellen und dazu schreiben: Nur Blinde dürfen sie anfasssen ....

Ich möchte wissen, ob Menschen mit einer Behinderung erwarten, dass man spezielle Angebote für sie bereithält und darauf verweist. Wir stellen uns in den Führungen auf die Menschen ein, die wir vor uns haben und unser Museum ist eigentlich für jeden geeignet (ich habe mal eine Gruppe mit Taubblinden geführt, war eine sehr interessante Erfahrung). Wenn ich darauf hinweise: "auch für Blinde geeignet", dann finde ich persönlich das diskriminierend und meine Frage ist:
Wie sehen das die Menschen bzw. ihre Angehörige, die davon betroffen sind?

Da sich Gruppen sowieso anmelden, bringt man das bei der Anmeldung zur Sprache und wir können uns darauf einstellen (z.B. Instrumente aus dem DEpot holen oder am Wochenende noch eine Führungskraft extra bestellen, weil der Aufwand größer ist)

Heidrun

martind
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Re: Thema: Gehörlose, Blinde, Rollstuhlfahrer im Museum

Beitrag von martind »

Liebe Heidrun,

warum soll es diskriminierend sein, wenn man behinderten Menschen ein Angebot macht das ihren speziellen Bedürfnissen entspricht. Wie soll ein Gehörloser auf die Idee kommen, dass er etwas besonderes erleben kann, wenn ihm das Angebot nicht bekannt ist. Er wird sich als Einzelbesucher nicht als gehörlos zu erkennen geben. Eine Familie mit blindem Mitglied verzichtet vielleicht auf einen Besuch in der Annahme es gäbe nichts zu "sehen".

Wie Du sagst macht Ihr Euch besondere Mühe, wenn eine entsprechende Gruppe kommt, dann verschweigt es doch nicht, es ist doch eine besondere Leistung. Wenn das nicht öffentlich gemacht wird, dann kommen nur die ins Museum die die Idee hatten mal anzufragen (vermutl. Lehrer, Sozialarbeiter usw.), die anderen, nicht organisierten, glauben, ein Besuch sei wegen ihrer körperlichen Defizite uninteressant weil sie nichts sehen, hören, riechen oder was weiß ich.

In diesem Sinne: Tue Gutes und rede darüber!

Freundliche Grüße aus der verregneten Pfalz,

Martin

Heidrun Eichler
Museumsmitarbeiter
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Re: Thema: Gehörlose, Blinde, Rollstuhlfahrer im Museum

Beitrag von Heidrun Eichler »

Lieber Martin,

das ist ja meine Frage, ob gehörlose oder blinde Menschen sich das Museum danach aussuchen, wo für sie etwas Besonderes geboten wird oder ob sie dorthin gehen, wofür sie sich interessieren. Gehörst Du zu dieser Gruppe oder hast Du Verbindung dazu?

Ich möchte es gern von den Betroffenen erfahren, was für sie wichtig ist.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Behinderte nicht anders sind als andere Menschen und auch nicht so behandelt werden wollen. Jedenfalls spreche ich mit geistig behinderten Menschen wie mit jedem anderen und erfahre auf diese Weise, dass sie in manchen Dingen viel sensibler sind und gerade in Bezug auf Musik ein größeres Wissen haben als mancher Durchschnittsbürger. Deshalb würde ich es anmaßend finden, darauf hinzuweisen, dass das Museum auch für sie interessant ist.

In anderen Ländern gehen alle Schüler in die gleiche Schule, da gibt es das Aussortieren nach Lernbehinderung nicht. Ich glaube, das ist wieder so typisch für unsere Gesellschaft, dass wir glauben, im Vorfeld alles regeln zu müssen.

Es kann ja sein, das ich mich irre, deshalb habe ich das hier gefragt. Ich hätte sonst den Fragebogen auch unkritisch ausfüllen können, nach dem Motto: "Papier ist geduldig".


Soviel für heute und
Gute Nacht :brush: ,

Heidrun

dorle
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Wohnort: Thüringen

Re: Thema: Gehörlose, Blinde, Rollstuhlfahrer im Museum

Beitrag von dorle »

Hallo Heidrun !

So eine Umfrage ist doch eine gute Gelegenheit darauf aufmerksam zu machen, daß auch maßgeschneiderte Museumsführungen möglich sind.
Mit Sicherheit gibt es Menschen, welche sich nur nicht ins Museum getrauen weil sie fürchten mit der normalen Führung nicht zurecht zu kommen. Mit Diskriminierung hat das nichts zu tun.

Gruß Dorle ! :wink2:

Heidrun Eichler
Museumsmitarbeiter
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Re: Thema: Gehörlose, Blinde, Rollstuhlfahrer im Museum

Beitrag von Heidrun Eichler »

Guten Morgen Dorle,

schön, von dir zu hören.

Aber das sind alles Vermutungen. Ich will es aber von Betroffenen hören.


Einen schönen Tag wünscht
Heidrun :rolleyes:

martind
Beiträge: 54
Registriert: Di 16. Okt 2007, 13:05

Re: Thema: Gehörlose, Blinde, Rollstuhlfahrer im Museum

Beitrag von martind »

Hallo Heidrun,

obwohl ich nicht zu den Betroffenen gehöre (glaube ich zumindest) nochmal ein Kommentar. Du hast sicher recht wenn Du ein spezielles Angebot für "geistig Behinderte" ablehnst. In diesem Zusammenhang halte ich das Wort Behinderung auch für falsch, er ist wohl aus dem Wahn erwachsen, dass Jeder und Alles wirtschaftlich nützlich sein muss. :sad:

Wenn Du die Meinung von Betroffenen (Blindheit, Taubheit) hören möchtest würde ich doch empfehlen die entsprechenden Verbände und Einrichtungen zu kontaktieren. Z.B.
http://www.dbsv.org/ oder http://www.deaf-sachsen.de/

Liebe Grüße ins :v:

Martin :gitarre2: (aus der immer noch verregneten Pfalz)

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