MUSIMA-Gebäude soll abgebrochen werden

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badenbaer
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MUSIMA-Gebäude soll abgebrochen werden

Beitrag von badenbaer »

Hallo zusammen,

wie ich der Presse entnehmen musste, plant die Stadtverwaltung das ehemalige Musima-Werksgebäude abzubrechen. Nicht um etwas Neues zu bauen, nein, schlicht und ergreifend um diesen "Schandfleck" zu entfernen.

Ich halte dies aus mehreren Gründen für grundlegend falsch:

1. Die Musima war und ist ein Aushängeschild für den Markneukirchener Musikinstrumentenbau. Das Musima-Industriegebäude ist somit ein repräsentativer und elementarer Zeitzeuge der lokalen Wirtschaftsgeschichte. Tausende von Familien haben in diesem Gebäude über Generationen ihren sicheren Broterwerb gehabt.

2. Der Abbruch eines solchen Industriegebäudes lässt sich nicht aus der Portokasse bezahlen. Auf die Gemeinde Markneukirchen kämen im Abbruchfalle erhebliche Kosten zu. Eine große Unbekannte ist zudem die Schadstoffbelastung im Gebäude. Die Instrumentenproduktion über Jahrzehnte hinweg hinterließ mit Sicherheit gravierende Altlasten in Gebäude und Erdreich. Außerdem hätte man durch einen Abbruch nichts erreicht als eine Baubrache. Von Schandfleck-Beseitigung also keine Spur. Wirtschaftlich gesehen hätte man somit also eine unbekannt große Summe Geld in den Abbruch von Gebäuden gesteckt, ohne auch nur geringe wirtschaftliche Nutzen zu ziehen.

Über die (wirtschaftlich mit Sicherheit wesentlich sinnvollere) Umwidmung in einen Gewerbepark wird anscheindend nicht nachgedacht.

Wie seht ihr den Sachverhalt?

Viele Grüße,

Roland

Heidrun Eichler
Museumsmitarbeiter
Beiträge: 1226
Registriert: Do 22. Dez 2005, 13:58
Wohnort: Markneukirchen

Re: MUSIMA-Gebäude soll abgebrochen werden

Beitrag von Heidrun Eichler »

Hallo Roland,

Du bist nicht der EInzige, der so denkt. Jedenfalls habe ich solche Diskussionen schon öfter vernommen.

Fakt ist, dass die Musima solide gebaut wurde (im Gegensatz zu mancher "Bude" im Gewerbegebiet, wo es im Sommer heiß ist und ansonsten zieht). Das Bauwerk ist erst 40 Jahre alt und man könnte es noch lange so stehen lassen, ohne dass die Gefahr besteht, dass es zusammenfällt.
Zurzeit gibt es aber Fördermittel für den Abriss, d.h. die Kommune hat die Chance, sich von Gebäuden zu trennen, die in den letzten Jahren offensichtlich niemand haben wollte. Ob sie in den nächsten Jahren jemand haben will? Aber dann ist es auch für diese Fläche zu spät. Denn man darf dort 15 Jahre nichts mehr bauen, wenn ich das richtig verstanden habe.

Neulich gab es eine Initiative für den Umbau des Gebäudes zur Grundschule, aber das würde - abgesehen davon, dass andere Fakten dagegen sprechen- die Stadt finanziell überfordern. Gäbe es jetzt Fördermittel für den Umbau von Industriebrachen zu Museen, dann würde man bestimmt ein Museum daraus machen ...
Wollte damit nur sagen, die Fördermittel bestimmen die Kommunalpolitik und die Wirtschaft und die Entscheidungsträger werden dadurch sehr in ihren Denk- und Handlungsweisen gelenkt.

Ich finde gut, dass wir hier mal darüber diskutieren und hoffe, andere finden das auch, ohne sich auf den Schlips getreten zu fühlen.

Heidrun

martind
Beiträge: 54
Registriert: Di 16. Okt 2007, 13:05

Re: MUSIMA-Gebäude soll abgebrochen werden

Beitrag von martind »

Guten Tag,

das ist ein sehr komplexes Thema. Ich bin auch der Meinung, dass man Gebäude, die sich umnutzen lassen, nicht abreissen muss. Meine Erfahrung aus meiner Umgebung zeigt mir aber auch, dass Industriegebäude (in unserer Gegend z. B. die Schuhindustrie) nur eine kurze wirtschaftliche Nutzungsdauer haben, weil die Anforderungen der Nutzer ständig wechseln. Damit ist eine geänderte Anschlussnutzung oft nicht mit wirtschaftlichem Aufwand realisierbar, weil die Blechhalle auf der (geförderten) grünen Wiese halt günstiger ist. Klebt man an diesen Gebäuden, hat man über kurz oder lang eine Ansammlung von leerstehenden Industriebrachen, was für die städtebauliche Entwicklung nicht unbedingt sinnvoll ist. Die Erinnerung an vergangene Nutzungen wird mit dem Verfall der Gebäude nicht schöner.

Leider führt die allgemeine Subventionitis mit zu diesen Problemen. Die Ansiedlungspolitik der Kommunen ist von Steuergeschenken an Ansiedlungswillige und der Bereitstellung billiger Gewerbeflächen geprägt. Der Flächenverbrauch ist unermesslich, weil Kommunen mit ihren Nachbarn im Wettbewerb um die Gewerbesteuer stehen und Vorratsflächen wie eine billiger Jakob bereithalten. Nur wenn das ausgebremst wird, steigt der Wert der alten, leerstehenden Gebäude bzw. Gewerbeflächen. Das einem Politiker zu vermitteln ist offensichtlich genauso fruchtlos wie der Versuch, einem Ochsen so ins Horn zu kneifen, dass er was merkt.

Man kann wohl zur Musima stehen wie man will, wenn die Stadt Geld für den Abriss bekommt wird sie abreissen. Das Politikerargument dafür lautet: Wir können das angebotene Geld nicht wegwerfen, es kommt ja schließlich der Gemeinde zugut. Dass wir letztlich doch alles zahlen geht im großen Steuersumpf unter.

In diesem Sinne.....machen lassen oder sich selbst in der Kommunalpolitik, auf verlorenem Posten, aufreiben!

Ich habe mich vor langer Zeit entschlossen mich da auszuklinken und Gitarre zu üben, vieleicht ja asozial, aber meine Nerven halten es besser aus.

Die Sonne sie scheint und der Himmel ist blau, ich geh jetzt Tauben vergiften im Park.

Schönen Tach noch, Martin

badenbaer
Beiträge: 17
Registriert: Di 28. Nov 2006, 19:13

Re: MUSIMA-Gebäude soll abgebrochen werden

Beitrag von badenbaer »

Hallo zusammen,

vielen Dank für eure Kommentare, über eine weiter rege Beteiligung würde ich mich freuen. In vielen Punkten bin ich eurer Meinung, einige Dinge sehe ich jedoch etwas anders wie Martind.
Ich bin nicht ganz der Meinung, dass Industriegebäude nur schwerlich umzunutzen sind. Industriehallen werden zumeist entsprechend einem gewissen Standart gebaut. Da gibt es nicht so viele verschiedene Möglichkeiten. Einzig hinsichtlich der Deckentraglast, Qualität/Ausführung der Industrieböden, Beheizbarkeit, Krananlagen, Andienung gibt es gewisse Unterschiede. Ein Neubau auf der grünen Wiese kann nur dann günstiger sein, wenn er unverhältnismäßig gefördert wird.
In Punkto Nachnutzung erscheint vor allem wichtig, WIE nachgenutzt wird. Auf den idealen Branchenmix kommt es an. Fitness- und Wellnessangebote haben selbstverständlich ebenso ihren Platz wie Gastronomie und Handel, sowie attraktives Loftwohnen in umgenutzten Dachgeschossen. Wenn man so etwas richtig aufzieht, kann ein Gewerbepark über Jahre hinweg durch Miet-/und Pachteinnahmen eine vernünftige Einnahmequelle werden.

Ein Abbruch würde meiner Meinung nach für Markneukirchen so oder so zum Zuschussgeschäft, da solche Projekte immer nur bezuschusst, aber nie komplett finanziert werden. Nicht zuletzt sollten die Entsorgungskosten im Abbruchfalle bedacht werden. Ein belastetes Gebäude umzunutzen ist daher nachweisbar günstiger, als ein selektiver Abbruch, mit Sondermüll-Entsorgung und Bodenaustausch.

Viele Grüße,

Roland

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