Mollenhauer Fulda

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tobi
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von tobi »

Moin moin,

noch ein paar weitere Gedanken zum sehr interessanten Thread:

Wir reden hier über ein Vorkriegs-Modell. Damit fällt Hammerschmidt als Hersteller aller Voraussicht nach aus. Der EBAY-Hammerschmidt-Link vom 27. Juli 218 zeigt übrigens eine China-Kanne (um etwaiger Verwirrung vorzubeugen). Ich kenne bisher nur Vorkriegs-Hammerschmidt-Saxophone, die von F.X Hüller gebaut worden waren.

Instrumente bis Tief-H waren in den 20er/30er Jahren eher die preiswerten Schülermodelle. Oscar Adler sagt selbst darüber:
"
Saxophone in einfacher Ausführung und Ausstattung. Diese einfachen Saxophone fertigen wir erst seit kurzer Zeit an. Sie werden aber sehr viel gefragt und bestellt, was wohl der beste Beweis dafür ist, daß wir das Richtige getroffen haben. Jeder Käufer ist überrascht von der Preiswürdigkeit dieser Instrumente. Man kann an diese einfachen Saxophone natürlich nicht die Anforderungen stellen, wie an unsere Qualitätsmarken Sonora und Triumpf, aber Stimmung, Ansprache und Ton sind einwandfrei.
"
Quelle Ladwig, Saxofone, S. 137.

Diese Form von Instrumenten (bis Tief-H) wurde auf jeden Fall von Oscar Adler und G.H. Hüller gebaut. Auch F.X. Hüller hatte diese Form im Programm (1915 aber voraussichtlich als Händler). Ob die solche Saxophone auch gebaut hatten, ist bisher nicht nachgewiesen.

Stencils von Oscar Adler gab es, aber nicht viele. Beispielsweise für das Musikhaus Jörgensen. Das Phönix aus dem angezogenen Thread ist so ein Fall. Ein Nachweis: Dullat, Faszination Saxophon, S. 94: Jörgensen vertrieb Saxophon von Oscar Ader (Phönix), G.H. Hüller (Bachus und Diana) sowie F.X. Hüller (Queen, diese Info fehlt an dieser Stelle im Buch). Weitere Stencils kenne ich für Wunderlich, Glier und Kruspe.

Die gebogene Becherstütze gab bei den Franzosen, unter anderem aber auch bei Oscar Adler (lange Zeit). Ebenso bei G.H. Hüller (in den 20ern), sowie bei den frühen Kohlert's Söhne (vor ~1926), den frühen F.X. Hüller (möglicherweise nur zugekauft - s.o.), den frühen Max Keilwerth Saxophonen....

Beste Grüße,
Tobi.

tobi
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von tobi »

Jetzt zu G.H. Hüller im Speziellen:

Für Mollenhauer Fulda kenne ich nur Stencils von G.H. Hüller, Julius Keilwerth und Kohlert. Das ist und bleibt ein Indiz.

Bleiben die baulichen Eigenheiten, mit denen man in der Regel den Hersteller gut eingrenzen kann. Auch hier gibt es viele Indizien. Hab mich mit einem weiteren versierten Kollegen ausgetauscht, und wir sind beide der Meinung, dass es sich hier um ein frühes G.H. Hüller Saxophon handeln muss. Ein paar bauliche Details:

a) Stempelung 870 auf S-Bogenaufnahmebuchse. Kenn ich nur von G.H. Hüller. Belehrt mich eines Besseren !
b) glatte S-Bogenaufnahmebuchse ohne jegliche Verzierungen / Einstiche / Eindrehungen (wie G.H. Hüller)
c) Der Korpusverbindungsring ist breit und auf beiden Seiten konkav angefast (wie G.H. Hüller)
d) Form und Ausführung der seitlichen Fis-Klappe (wie G.H. Hüller))
e) Form des Gis-Klappenmitnehmers / lange Tropfenform (wie G.H. Hüller)
f) die Form vom unteren Bogenschutzblech kenn ich u.a. von G.H. Hüller und von frühen F.X. Hüller's

Somit bin ich mittlerweile überzeugt, dass es sich hier um ein frühes G.H. Hüller Saxophon handelt, aus meiner Sicht mit Baujahr vor 1930. Es gab damals ein Modell (sogar mit 4 Rollern an den Drückern), das baulich sehr nah am "Mystery Horn" dran ist. Es hieß Model "RAP".

Folgende Detailaufnahmen könnten noch mehr "Eindeutigkeit" herstellen:
* Marschgabelhalterung
* Korpusverbindungsringe
* Oktavmechanik / Oktavdrücker
* Gis-Drücker
* unteres Bogenschutzblech

Beste Grüße,
Tobi.

papadoc
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von papadoc »

Hallo tobi,
ganz herzlichen Dank für die wirklich sehr umfangreichen Ausführungen. Ich bin sehr dankbar an Deinem und dem Wissen der anderen teilhaben zu dürfen. Da da Forum nur Bilder in eigeschränkter Qualität zulässt, habe ich ein paar Aufnahmen online abgelegt.
Die URL hierzu lautet: https://c.web.de/@321908972527294965/6p ... MxS7Ngnl3g

Gruß papdoc

intune
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von intune »

hier haben wir noch ein Mollenhauer Kassel

https://www.ebay.de/itm/60s-MOLLENHAUER ... =R40&rt=nc

tolle gravur. :rolleyes:

mehr später...

papadoc
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von papadoc »

... mit sehr viel Liebe zum Detail ...

intune
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von intune »

damit es hier erhalten bleibt:
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intune
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von intune »

so jetzt:

die fotostrecke ist wunderbar, gibt natürlich mehr her, und ich muss annehmen das unser forumnese tobi über einen großen bildschirm verfügt mit fantastischer auflösung... da muss ich leider passen.

jetzt zum sax:
vernickelt und vermutlich lange offen gelegen, der witterung ausgesetzt, oder in einem koffer der nass geworden ist und der inhalt vor sich hindünkelte, nur so kann ich mir die vielen pusteln erklären.

es wurde stark bespielt! die Bb klappe, die Gis klappe linke hand, die es klappe rechte hand, der daumenhalter sind wirklich "durch", sprich die galvanische schicht ist durchgescheuert.

zu den bildern - bitte immer die letzten zwei nummern sehen....

60 - die D klappe ist schief
62 - links oben, vermutlich abgebrochene feder
63 - offenbar fehlt die oktavklappe völlig, einklappe oder doppelklappe??
67 - cis klappe schräg + polster fehlt
71 - offene augen in den säulchen, vermutlich fehlstelle der achse oktavklappe
76 - achse steht raus, vermutlich fest - schwierige operation, schraube notenhalter fehlt, luft im herz - steckverbindung
03 - käfig tief C verzogen

geschichtlich interessant, hierzu hat "tobi" ausführlich berichtet.

eine überholung würde nur aus liebhaberei geschehen können, kostenrahmen (günstigstenfall) von 400 bis 700 Euro.
die "PICKELEI" wegzupolieren, dürfte ergebnislos sein. natürlich sind alle polster und federn...aufgebraucht.

ein teurer baustein wird das ersetzen der klappe sein.

so jetzt haben wir uns ordentlich mühe gegeben zu dem teil, was mich immer noch interessiert ist die aussage:
meisterzeichen des deutschen instrumentenbaus vor 1945???


gibt es noch weitere feinheiten?

papadoc
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von papadoc »

Hi intune
auch Dir ganz herzlichen Dank, dass Du Dich so intensiv mit den Bildern und den Infos befasst hast. Auf den Bildern sind (leider) nicht alle Baustellen zu sehen. Das ist ne Arbeit für "kalte Wintertage" ... und klar ... nur Liebhaberei. Wirtschaftlich ist das Sax ein Totalschaden.
Federn, Polster und Achsen die geringsten Probleme.
Für die Identifikation des Bildes habe ich mich an jemanden gewandt, der sich seit Jahren mit Innungszeichen etc. beschäftigt. Mal sehen, ob da etwas zu erfahren ist, oder ob es sich "nur" um ein nettes Design von Mollenhauer handelt.

intune
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von intune »

papadoc hat geschrieben: Für die Identifikation des Bildes habe ich mich an jemanden gewandt, der sich seit Jahren mit Innungszeichen etc. beschäftigt. Mal sehen, ob da etwas zu erfahren ist, oder ob es sich "nur" um ein nettes Design von Mollenhauer handelt.
das ist ein netter zug - bringt uns vielleicht alle weiter.
das mir bekannte suche ich mal raus....wenn ich es dann finde.

na das ging schon schnell, bei kiste 36 lag sie drinn eine Fischer Quer in C
und ich meine das ist das meisterzeichen des "reiches"

also der schlüssel und das vieleck/kreis.
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intune
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von intune »

zwar eine querflöte, aber eine interessante gravur:

https://www.ebay.de/itm/J-Mollenhauer-Q ... SwF7lbMToP

Gabi
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von Gabi »

intune hat geschrieben: na das ging schon schnell, bei kiste 36 lag sie drinn eine Fischer Quer in C
und ich meine das ist das meisterzeichen des "reiches"

also der schlüssel und das vieleck/kreis.

Der Stempel (kreisförmiges Muster mit einem Violinschlüssel) weist eindeutig in die Zeit nach 1933: Es handelt sich um das Reichs-Ursprungszeichen, welches auf das alte Zeichen der Markneukirchner Blasinstrumentenmacher-Gesellschaft aus dem 19. Jh. zurückgehen soll.

Herr Weller schrieb hier mal an anderer Stelle:
Das sog. Reichs-Ursprungszeichen hat sich in verschiedenen Werkstätten als Schlag- oder Brandstempel erhalten. Verwendung fand es im Dritten Reich. Über die Hintergründe gibt es aber nur wenige mündliche Informationen. In den Katalogen einiger Hersteller ist es auch abgebildet. Es sollte alle derart gekennzeichneten Instrumente als rein deutsche Erzeugnisse ausweisen. Offenbar wurde davon aber nicht systematisch und konsequent Gebrauch gemacht. Ich glaube auch nicht, dass seine Verwendung bereits 1933 begann. 1934 scheint mit glaubhafter, zumal da die Reorganisation des Innungswesens erfolgte, die vielleicht auch über das gemeinsame Zeichen deutlich werden sollte.

LG, Gabi
Manchmal, wenn ich Ruhe brauche, setze ich mich in meine Bonboniere und ein Gummibärchen hält mir die Hand.

http://www.blockfloeten-museum.de

intune
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von intune »


papadoc
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von papadoc »

Hallo,

bzgl. des Ursprungs und der Bedeutung der Gravur gibt es abschließende Neuigkeiten.
Für deren Erlangung möchte ich mich bei Dr. Thomas Lerch Leiter der Restaurierung vom Musikinstrumenten-Museum Berlin, Prof. Dr. Josef Focht, Direktor des Musikinstrumentenmuseums der Universität Leipzig und vor allem bei Bernhard Mollenhauer von der Bernhard Mollenhauer GmbH & Co. KG für Ihre Ausführungen und Hinweise bedanken.
Bei der Abbildung handelt es sich um einen Notenstecher/Notenhauer, ein altes, so nicht mehr existierendes Berufsbild.
Dieser wurde längere Zeit von der Firma J. Mollenhauer & Söhne als Firmenzeichen verwendet.
Die Besonderheit legt in den sichbaren Noten. Dargestellt sind A,C,E der a-Moll-Dreiklang quasi als in Noten gefasster Hinweis auf das Unternehmen Moll-> Mollenhauer.
Ob A-Moll zusätzlich ein Hinweis auf den Firmengründer Johann (A)ndreas (Moll)enhauer sein soll, konnte nicht bestätigt werden.
Herr Mollenhauer hat mir zudem mitgeteilt, dass dieses Firmenlogo heute noch als "Wetterhahn" auf dem historischen Mollenhauer-Haus in der Innenstadt von Fulda
angebracht ist.
Eine schöne Geschichte wie ich meine ....

intune
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von intune »

toll,

danke, eine wissenslücke wurde geschlossen. den heraldischen part kann ich gut nachempfinden.

https://osthessen-news.de/n11565339/ste ... -haus.html

https://www.toepferei-bauer.de/haeusche ... s-in-fulda

http://www2.hs-fulda.de/~klingebiel/fd- ... r/fd33.htm

https://osthessen-news.de/n11565339/ste ... -haus.html

https://www.fuldaerzeitung.de/regional/ ... z-XF557716

intune
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Re: Mollenhauer Fulda

Beitrag von intune »

so, wer hat das sax gebaut und die gravur angebracht.

ich muss weiter bohren, vielleicht ergibt sich noch etwas, wäre schön.


danke in die runde.

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