Habe ich eine SG63 ?

Moderatoren: Dr. Enrico Weller, Mario Weller

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tubanicht
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Habe ich eine SG63 ?

Beitrag von tubanicht »

Tp Stimmzug m Schriftzug.jpg
Tp hinten links.jpg
Trompete total links.jpg
Moin zusammen,
schon oft habe ich in den Forum-Beiträgen gestöbert und oft auch für mich interessantes erfahren. Meist bin ich über Google-Suchen dort gelandet, als Gast. Jetzt habe ich selbst mal ein konkretes Anliegen und habe mich als nun neues Mitglied angemeldet.
Mein Thema ist die hier schon wiederholt abgehandelte „Jazztrompete“ mit Drehventilen. Vor kurzem habe ich bei Ebay eine als „Alte Trompete Sinfonia“ bezeichnete Trompete ersteigert. Die Beschreibung war dürftig, aber die Fotos waren gut. Ich erkannte sogleich die sehr sehr ähnliche bis identische Bauart einer Trompete meines Trompetenlehrers vom Anfang der 80ger Jahre, mit dem mich viele Jahre eine sehr intensive musikalische Freundschaft verband, bis er 1991 tödlich verunglückte. Langer Rede kurzer Sinn: Ich habe voll auf Sieg gesetzt und das Instrument tatsächlich bekommen.
Während die Versteigerung noch lief habe ich schon ständig im Internet nach Infos zu Trompeten dieser Bauart gesucht. Es ist ja einiges zu finden und ich habe dann gefolgert, dass dieses Instrument wohl aus der Werkstatt Kurt Knoth/Johannes Scherzer stammen könnte. Meine Vermutung und Hoffnung war, es könnte eine SG63 sein, da sie zum Unterschied zu im Netz gefundenen Bildern der SG66 keine Stimmausgleichsmechanik am 1. Zug hat.
Als ich ich die Trompete dann bekam war ich zunächst mal freudig überrascht über den tollen äußeren und auch guten technischen Zustand. Eine Innenreinigung und überall ein paar Tröpfchen vom richtigen Öl und es lief alles super. Etwas Lacquer Polish drauf: Sieht aus wie neu! Die Ansprache, speziell in der Höhe, ist m.E. sehr gut. Mit meiner relativ neuen Challenger I komme ich nicht so leicht so hoch.
Jetzt aber kommt's: Außer dem in den Stimmzug eingearbeiteten Dreieck mit dem Schriftzug „Sinfonia“ ist keinerlei Hinweis auf den Hersteller zu finden. Auch ist keine Seriennummer vorhanden. Lediglich die Ventile (Hülse, der sich drehende Wechsel und die Deckel) sind mit 1,2,und 3 markiert. Komischerweise aber in der für mich eigentlich falschen Reihenfolge. Ich dachte immer, das 1. Ventil ist das, welches mit dem Zeigefinger gedrückt wird.
In einem Beitrag von „Wolfram“ aus 2007 habe ich gelesen, dass unter den besonderen Umständen damals in der DDR „die Instrumente auch oft unter anderem Namen oder auch mal eben ohne Namen hergestellt wurden“. Soweit verstanden. Ich habe aber auch irgendwo gelesen, dass von Scherzer Seriennummern erst ab einem bestimmten Jahr vergeben wurden. Nun frage ich mich natürlich, ob ich so eine „frühe Scherzer SG63“ erwischt habe. Dann müsste sie ja ca. 50 Jahre alt sein. Aus meiner Sicht spräche dafür, dass die Trompete wohl mit Sicherheit mal in einer sehr guten Werkstatt generalüberholt worden sein muss, denn sonst könnten der Lack und auch die Mechanik m.E. wohl nicht mehr in so einem guten Zustand sein.
Irgendwo habe ich auch im Forum eine Erläuterung dazu gelesen, was die Buchstaben „SG“ vor der 63 und der 66 bedeuten. Ich meine, „S“ stand für „Scherzer“ und „G“ für einen weiteren an der Entwicklung beteiligten Instrumentenbauer. Ich kann den Beitrag (ich meine er war von M. Weller, der ja schon etliches zu dem Thema geschrieben hat) aber nicht mehr finden.
Vielleicht kann einer der kundigen Spezialisten im Forum mir sagen, ob ich wirklich so ein „Frühwerk“ dieses Trompetentyps von Scherzer besitze.
Ich versuche, Fotos einzustellen. Ich kann auch noch andere Bilder "nachschieben", es gehen ja pro Beitrag immer nur drei.
Vielen Dank für die Geduld, der Beitrag ist vielleicht etwas lang. Ich hoffe trotzdem auf Antwort.

Mario Weller
Metallblasinstrumentenbaumeister
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Re: Habe ich eine SG63 ?

Beitrag von Mario Weller »

Hallo tubanicht,

es stimmt, Sie schrieben schon einen langen Beitrag. Aber das macht nichts, es sind ja auch viele Dinge darin richtig beschrieben und wiedergegeben.

Das "G" bedeutet "Grüllich", einem langjährigen und fähigen Mitarbeiter Scherzer's.

Mit der Modellbezeichnung kann ich Ihre Hoffnungen auf eine SG 63 leider auch nicht bestätigen. Es handelt sich schon um eine SG 66 von Johannes Scherzer.
Jedoch sind mir auch einige Details oder Angaben doch recht wunderlich. Sie schreiben gar nichts von einer Gravur. Gibt es keine? Gab es nie eine? (wegpoliert)
Das Fehlen einer Gravur ließe sich z.B. durch eine fast "neutrale" Lieferung an die PG Sinfonia begründen. Da genügten oftmals Instrumente ohne jegliche Gravur oder eben einfach nur mit der Gravur "Sinfonia". In diesem Falle könnte man sogar wegen der "Sinfonia-Spinne" auch ganz auf eine Schallstückgravur verzichtet haben.

Johannes Scherzer brachte erst ab ca. 1965 Seriennummern in all seine Instrumente ein, fortlaufend und beginnend bei der Zahl "1".
Nun könnte man meinen, Ihre Zylinderjazz stamme demnach vor 1965 und müsste dann auch eine SG 63 sein. Dem ist aber wirklich nicht so. Warum Ihre SG 66 ohne Serien-Nummer ist, kann ich auch nicht sagen. Sie müsste sich eigentlich im Ringchen (Zwinge) zwischen der 1. Ventilbüchse und dem Schallstück befinden. Evtl. ist diese Zwinge ja einmal einer Reparatur zum Opfer gefallen.

Könnten Sie bitte noch ein Foto des Fingerhakens einstellen? Man sieht ihn nur andeutungsweise und könnte schließen, es wäre keiner (mehr) aus Guss. Dann würde sich bei mir ein neues Feld zu einer weiterreichenden Recherche eröffnen.

Mit freundlichen Grüßen

Mario Weller

tubanicht
Beiträge: 2
Registriert: Mo 23. Mär 2015, 17:33

Re: Habe ich eine SG63 ?

Beitrag von tubanicht »

Haken1.jpg
Hallo Herr Weller,
große Freude über die schnelle Antwort, vielen Dank! Ich bin nicht enttäuscht sondern freue mich sehr, mit meiner Vermutung aufgrund der Ebay-Fotos richtig gelegen und so eine schöne Trompete von Scherzer ergattert zu haben (wenn sie auch nicht ganz billig war). Das können Sie sicher nachvollziehen.
Ich habe nun eigene Fotos vom Fingerhaken gemacht. Das sieht mir nicht nach Guss aus. Würde mich freuen, wenn das für Sie nützlich ist. Zu weiteren Hilfsleistungen jederzeit bereit.

Hinsichtlich einer Gravur: Da ist tatsächlich nichts zu entdecken, auch nichts bezüglich Seriennummer. Ich weiß nicht, ob bei einer intensiven Oberflächenbehandlung im Rahmen einer Generalüberholung eine Gravur völlig verschwinden kann, so dass überhaupt nichts mehr zu sehen ist. Ich habe in der Vergangenheit von "meinem" thüringer Instrumentenbauer (der sein Handwerk in Markneukirchen gelernt hat!) wiederholt ältere Instrumente (Waldhorn von Glier aus den 20gern, Posaune von OLDS von 1948 u.a.). Meist ist schon noch ein Hauch der ursprünglichen Gravur auszumachen. Hier nicht. Mir genügt jetzt aber Ihre Aussage und ich will die Trompete ja auch nicht wieder verkaufen sondern mich möglichst lange daran erfreuen.
Noch eine Besonderheit: Der Zug zum 2. Ventil (der kleine in der Mitte also) scheint mir fest eingebaut zu sein. Können Sie dazu etwas sagen? Ich habe aber noch nicht ernsthaft versucht, ihn zu ziehen. Man kommt ja schlecht dran und ich will keine grobe Kraft anwenden. Die anderen Züge gingen alle ganz leicht, nach meiner Reinigung und Pflege natürlich noch leichter. Die Gummiringe am Zug 3 habe ich eingesetzt, weil ich noch welche hatte. Die waren also noch nicht vorhanden.
Nochmals vielen Dank und herzliche Grüße von der Insel Föhr!
H.-J. Gaetsch
P.S. Ich hoffe das Runterladen der Fotos klappt!
Dateianhänge
Fingerhaken1 klein.jpg
Haken2.jpg
Haken2.jpg (38.13 KiB) 2299 mal betrachtet

Mario Weller
Metallblasinstrumentenbaumeister
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Re: Habe ich eine SG63 ?

Beitrag von Mario Weller »

Werter Herr Gaetsch,

das mit dem Halbton- (eben nicht-) Zug haben Sie gut erkannt. Dieser ist nicht zum Ziehen gedacht, sondern fest verlötet. Die Bauweise der Zylinderjazz würde sonst dazu führen, dass man beim Ziehen des Halbtonbogens das Schallstück beschädigt. Auch ist nicht genügend Platz vorhanden, um wie üblich z.B. noch einen Halbton-Ring / Halbtonkäppchen darauf anzubringen. Es fehlt dafür einfach genügend Platz, somit man sich mit diesem Kompromiss abgefunden hat.

Danke für die Fotos des Fingerhakens, werde mich dahingehend befragen und hoffe, damit eine weitere Möglichkeit der Datierung zu finden oder schon gefunden zu haben.

Mit freundlichen Grüßen an die See

Mario Weller

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