Frage zu B-Tuba KAWAI / B&S

Moderatoren: Dr. Enrico Weller, Mario Weller

Antworten
otzenplotz
Beiträge: 2
Registriert: So 03. Jul 2011, 17:44

Frage zu B-Tuba KAWAI / B&S

Beitrag von otzenplotz »

Liebe Experten!

ich habe eine Frage zu einer Tuba, die ich als Leih-Instrument eines Amateur-Orchesters in Benutzung habe.

Es handelt sich um eine B-Tuba mit drei Pump-Ventilen.
Die Gravur am Trichter lautet: KAWAI, darunter steht: made by B&S
Am Mundrohr befindet sich die Seriennummer: 0206303, darunter steht: Made in GDR
Auf der Ventil-Maschine steht ebenfalls: Made in GDR

Wer kann mir sagen, wann dieses Instrument hergestellt wurde und zu welchem Neupreis es damals verkauft wurde? Ebenfalls würde mich interessieren, ob es sich bei dem Instrument um ein eher wertvolles Profi-Instrument handelt oder ob es ein eher preiswertes, einfaches Anfänger-Modell gewesen ist.

Der Grund meiner Nachfrage ist, dass das besagte Orchester, welches mir das Instrument geliehen hat, behauptet, dies sei eine besonders wertvolle Tuba, die damals einen Wert von ca. 10.000 Euro gehabt haben soll. Das kann ich einfach nicht glauben, weil mich die Verarbeitung des Instruments überhaupt nicht überzeugt. Während eines Konzerts hat sich nämlich schon mal bei einem Ventil der Stift mit der Taste gelöst und ist einfach herausgefallen, und als ich einmal einen Ventilzug herausgezogen habe, um Kondenswasser rauslaufen zu lassen, ist ein ganzer Teil des innen liegenden Zug-Rohres einfach abgebrochen. Außerdem haben sich bereits einige Lötstellen gelöst. Die Intonation der Tuba ist ebenso wenig überzeugend.

Ich frage mich, ob diese Mängel nur daran liegen, dass das Instrument in den letzten Jahren unsachgemäß behandelt wurde, oder ob es einfach nur ein Billig-Teil ist, das nach 20 Jahren einfach abgenutzt und kaputt gespielt ist.

Über Ihre/Eure Antworten, Beurteilungen und Einschätzungen freue ich mich.

Vielen Dank und herzliche Grüße!

otzenplotz

Mario Weller
Metallblasinstrumentenbaumeister
Beiträge: 1390
Registriert: So 08. Apr 2007, 16:25
Wohnort: Markneukirchen

Re: Frage zu B-Tuba KAWAI / B&S

Beitrag von Mario Weller »

Hallo "otzenplotz",

Sie haben ja viele Fragen, aber ich bemühe mich Ihnen diese zu beantworten.
Zum Alter werde ich in den Büchern von B & S nachsehen lassen, dann wird sich herausstellen, ob Ihre Tuba 21 Jahre und / oder noch älter ist.
Auch dürfte ich dann anhand der Modellnummer der Tuba sagen können, ob es sich um eine damals höherpreisige und qualitativ ebenso gute Tuba handelte. Meine Einschätzung lautet aber im Voraus schon, dass es sich nicht um eine Tuba aus einer Profiserie handelt. Dreiventilige Tuben (in B wie ebenso in Es) gehörten stets zum "Blasorchsterinstrumentarium", ein Profi benötigt bei einer B-Tuba mind. die gängigen 4 Ventile, spielt meist auch zusätzlich auf C-Tuben oder der Variabilität halber auch auch F-Tuben (mit bis zu 6 Ventilen).

Das sich der Ventilstift löst liegt sicherlich daran, dass man (vor Ihnen) die Ventile entweder zum Saubermachen oder aber zum Schmieren herausgezogen hat. Dabei hat man einfach die Schraubverbindung unbewusst etwas gelockert und irgendwann tritt ein solches Unglück ein - übrigens passiert so etwas stets beim Konzert, nie in der Probe!

Zum zweiten Schaden ist zu bemerken, dass Ihre B-Tuba sicherlich nicht permanent gespielt und gewartet (!) wurde. Da ist es nach so vielen Jahren schon möglich, dass Lötverbindungen einmal brechen, besonders gerne an Stellen (Zügen), wo sich Kondenswasser sammelt und Korrosion vorprogrammiert ist.

Beide Schäden sollten Sie dem Alter schulden, über die generelle Qualität gebe ich demnächst noch einmal Auskunft, nachdem wir das genaue Alter kennen.


Mit freundlichen Grüßen

Mario Weller

otzenplotz
Beiträge: 2
Registriert: So 03. Jul 2011, 17:44

Re: Frage zu B-Tuba KAWAI / B&S

Beitrag von otzenplotz »

Lieber Herr Weller!

Vielen Dank schon mal für die Infos! Ich bin ja begeistert, wie schnell und umfassend Sie auf meine Anfrage geantwortet haben – und das an einem Sonntagabend! Einfach super!

Ich freue mich schon auf Ihre Recherchen bzgl. des genauen Alters der Tuba und ihrer damaligen Preisklasse!

Herzliche Grüße!

otzenplotz.

Mario Weller
Metallblasinstrumentenbaumeister
Beiträge: 1390
Registriert: So 08. Apr 2007, 16:25
Wohnort: Markneukirchen

Re: Frage zu B-Tuba KAWAI / B&S

Beitrag von Mario Weller »

Hallo otzenplotz,

leider habe ich eine ernüchternde Antwort das Alter Ihrer Tuba betreffend. Unter der von Ihnen angegebenen Seriennummer ist keine B-Perinet-Tuba eingetragen! In den Originalbüchern des Werk II (in Klingenthal) des VEB B & S ist damit eine von 15 Posaunen verzeichnet. Nun lassen sich daraus keine Schlüsse über das Alter Ihrer Tuba ziehen.
Bei bisherigen Anfragen das Alter von Perinettrompeten betreffend, kam so etwas auch schon häufiger vor. Dort hatte es aber den Grund, dass diese sowohl im Werk I des VEB B & S als auch im Werk II gefertigt wurden. Deshalb gibt es Instrumente mit der selben Seriennummer sozusagen "zweimal". Leider sind alle Aufzeichnungen vom Werk I in Markneukirchen verschollen. Kurios ist zudem die Tatsache, dass im Werk I in Markneukirchen gar keine Tuben angefertigt wurden, demnach es Ihre Tuba mit Ihrer Seriennummer eigentlich gar nicht "geben dürfte".

Könnten Sie evtl. ein Foto Ihrer Tuba hier einstellen, dann könnte ich "alte" Kollegen fragen, wer dieses Modell gebaut hat. Vielleicht kommen wir so zu einem Ergebnis.

Mit freundlichen Grüßen

Mario Weller

W.Hartmann
Beiträge: 28
Registriert: Fr 04. Jan 2008, 11:25

Re: Frage zu B-Tuba KAWAI / B&S

Beitrag von W.Hartmann »

Hallo Herr Otzenplotz, Hallo Herr Weller!
Es ist bekannt, dass die Firma B&S auch Instrumente für grosse Auftraggeber im Ausland mit anderen Markennamen produziert hat. Die somit erwirtschafteten Devisen waren wichtig, um Rohstoffe und Materialien für die eigene Produktion zu erwirtschaften (Polierpaste aus England, ...) aber auch das "sozialistische Wirtsachftssystem" in der DDR Aufrecht zu erhalten.

In meiner aktiven Zeit (Anfang der 80er Jahre) als Mitarbeiter im Werk II kam es einmal vor, dass die Firmenleitung erfuhr, dass der Auftragsgeber (ich denke es war ein Franzose) finanzielle Probleme hat. Man entschied sich deshalb die Instrumente gar nicht erst wegzuschicken, sondern im eigenen Land zu verkaufen. Dazu wurde ein zweiter Name eingraviert und den dankbaren Musikgeschäften in der DDR angeboten.
Ich vermute, dass die o.g. Tuba dazu gehörte.
Es stimmt also, dass die Tuba zur besseren Qualitäts-Linie der B&S-Produkte gehört. Der Preis 10.000 EURO erscheint mir aber doch etwas übertrieben.

Die genannten Mängel am Instrument sind mit Sicherheit des Alters und der schlechten Pflege zuzuordnen.
Schauen Sie doch mal, ob Sie an der hinteren Seite der Mundstückzwinge einen Buchstaben lesen können. Dieser Buchstabe gab Aufschluss, welche Werkbank der Tuba-Abteilung die Hersteller waren. Sollte dieser Buchstabe vorhanden sein sollte man das Alter der Tuba etwas genauer zuordnen können.

Die vorhandene Seriennummer könnte für die Produktion eines solchen speziellen Auftragsgebers ebenfalls in Auftrag gegeben worden sein. Sie muss deshalb nicht mit der normalen Vergabe im Produktionsablauf zusammenhängen. Für solche grossen Aufträge wurden oftmals Ausnahmen gemacht!
LG W. Hartmann
W.Hartmann
Meister für Metallblasinstrumente

Mario Weller
Metallblasinstrumentenbaumeister
Beiträge: 1390
Registriert: So 08. Apr 2007, 16:25
Wohnort: Markneukirchen

Re: Frage zu B-Tuba KAWAI / B&S

Beitrag von Mario Weller »

Hallo Herr Hartmann,

vielen Dank für Ihre zusätzlichen Informationen, welchen ich allesamt beipflichten kann.
Besonders die Information, dass es damals auch Serien-Nummern "außerhalb" der bestehenden Serie gab, finde ich überaus wertvoll. Dies könnte somit auch eine Erklärung für bisherige, andere unzureichende Herstellungs- und Altersbestimmungen sein.

Ich hatte diesbezüglich schon einmal die Vermutung, dass man im VEB B & S für einige Kunden "deren" Seriennummern einbrachte. Eine ähnliche Art der Nummerierung - welche wohl eine gewisse Größe und Kapazität der Händlerfirma vortäuschen sollte - habe ich in den letzten Jahren auch bei Ware aus Fernost gesehen. Es macht sich anscheinend irgendwie schlecht, möchte man einem Kunden Instrumente verkaufen, deren Seriennummern im ein- und zweistelligen Bereich beginnen. Eine meist sechsstellige Seriennummer wirkt da generell "reifer" und lässt den Produzenten oder Händler in Herstellung / Vertrieb erfahrener erscheinen.

Soweit meine neuesten Gedanken zu diesem Phänomen.

Mit freundlichen Grüßen

Mario Weller

Antworten